Mode mit neuer Realität konfrontiert

Wenn 2019 mit einem optimistischen Ausblick auf das kommende Jahrzehnt endete, so haben die Ereignisse des ersten Quartals 2020 diesem schnell einen Dämpfer versetzt. Nachdem geopolitische Spannungen entstanden, Buschbrände Australien beutelten und das Covid-19 Virus Asien in Atem hielt, gab Balenciaga Anfang März der unangenehmen Stimmung mit einer “Ende der Welt” Modenschau in Paris Ausdruck.

Aber kaum jemand in der Modeindustrie oder darüber hinaus hätte sich vorstellen können, was noch kommen sollte. In nur wenigen Wochen entwickelte sich das Coronavirus zu einer globalen Krise, die unseren Alltag auf unvorstellbare Weise veränderte. Am Ende des Quartals hatte sich der Gegenwind, gegen den zunächst nur Marken und Einzelhändler in China und Ostasien ankämpfen mussten, zu einem globalen Sturm zusammengebraut.

Aufgrund des Virus standen riesige Bereiche der Wirtschaft still und ganze Bevölkerungen saßen in ihren Wohnungen und Häusern fest, das Konsumentenvertrauen stürzte ab und die Modewelt verzeichnete einen sofortigen Nachfrageeinbruch. Plötzlich wurden Verkaufszahlen nicht mehr von sozialen Anlässen, Urlaub und dem Bedarf an Bürokleidung gesteuert. Die Inspirationsquelle für Konsumenten, also Promis unterwegs, glamouröse Veranstaltungen und Streetstyle Fotos, versiegte langsam. In Bezug auf das Angebot hat das Virus natürlich auch die ganze Industrie, vom Einkauf der Rohmaterialien bis hin zur Fertigung, Logistik und dem Betrieb im Einzelhandel, unterbrochen – egal ob wir von Niederlassungen oder online Shops sprechen.

Der Lyst-Index Q1 spiegelt somit eine Phase wider, in der im Großteil Asiens über drei Monate überhaupt kein normaler Betrieb stattgefunden hat; und für die letzten Wochen des Quartals auch in Europa und Nordamerika alles andere als "business as usual" herrschte. Der kommende Bericht zum Q2 wird deutlicher zeigen, was Covid-19 global tatsächlich angerichtet hat, aber basierend auf den Daten für Q1 scheint die Markenbindung der Konsumenten noch weitgehend unverändert.

Off-White ist das dritte Quartal in Folge die angesagteste Marke der Welt, was den Einfluss junger Shopper reflektiert, die das Anti-Establishment Luxusverständnis der Marke feiern. Mit einem Digital Native Ansatz haben Off-White (in diesem Quartal über 10 Mio. Fans auf Instagram erreicht) und Gründer Virgil Abloh (5,2 Mio. Follower) ein höchst engagiertes Following in den sozialen Medien gewonnen. Heute, wo Konsumenten zu Hause festsitzen, ist es wichtiger denn je, online mit dieser sehr treuen Gemeinde, die für Marken entscheidend ist, in Verbindung zu bleiben. Im Februar verglich ein Artikel in der New York Times Virgil Abloh mit dem verstorbenen Karl Lagerfeld. Der Artikel wurde vielfach geteilt und sorgte somit dafür, dass Off-White eine der meist besprochenen Modemarken blieb.

Nach dem Aufsehen um die Herbst/Winter ‘20 Modenschau klettert Balenciaga einen Platz nach oben und damit zurück auf Position 2 der angesagtesten Marken der Welt, auf der die Marke zuletzt im Q3 2019 stand. Derweil war Nike einer der schnellsten Aufsteiger in diesem Quartal und ist um neun Plätze auf den dritten Rang gestiegen – so fällt Gucci (jetzt auf dem vierten Rang) zum ersten Mal seit Beginn des Lyst-Index aus den Top 3. Der Sportmoderiese wurde von einer Reihe mächtiger weltweiter Markeninitiativen angefeuert und erlebte auch bei Artikeln wie Kapuzenpullis, Jogginghosen und Shorts eine größere Nachfrage.

Auch Prada hat im Lyst-Index der angesagtesten Marken zwei Plätze gutgemacht, nachdem im Februar verkündet wurde, dass der belgische Designer Raf Simons der neue Co-Creative Director neben Miuccia Prada wird, und steht nun auf dem fünften Rang. Dank dieser Ankündigung hat es auch Raf Simons gleichnamige Marke zum zweiten Mal in die Liste der angesagtesten Marken geschafft und ist in diesem Quartal um 12 Positionen nach oben auf den 17. Platz geklettert.

Jacquemus schafft es erstmals in den Lyst-Index der angesagtesten Marken, nachdem es die Accessoires der Marke bereits in den Abschnitt der angesagtesten Produkte geschafft hatten. Die französische Marke macht sieben Ränge gut und schafft es auf den 15. Platz, nachdem die supermodel-lastige Herbst/Winter ‘20 Schau zu 1.100 Prozent mehr Erwähnungen in den sozialen Medien geführt hatte. Die anderen Neuzugänge in diesem Quartal sind Thom Browne und Rick Owens, die Labels der gleichnamigen US-amerikanischen Designer, jeweils mit einer ganz eigenen und einheitlichen Ästhetik.

Bei Redaktionsschluss sieht die Zukunft der Mode noch ungewiss und zersplittert aus, aber es gibt an den Orten, die zuerst betroffen waren, bereits erste Anzeichen einer Erholung. Wir werden die Daten weiterhin genau beobachten und untersuchen, wie die Shopper auf die "neue Realilität" des Abstandhaltens und der wirtschaftlichen Unsicherheit reagieren, während wir gleichzeitig auf eine rasche Rückkehr zu besseren Zeiten hoffen. Obwohl die Krise bei Weitem noch nicht ausgestanden ist, begeistert es uns doch, wie die Modeindustrie zusammenhält, ihre Ressourcen, Kreativität und Stärken nutzt, um dem Sturm standzuhalten und dem Gemeinwohl etwas zurückzugeben.