Mode in Zeiten großer Veränderung

Die Corona-Krise hat sich im ganzen Quartal deutlich bemerkbar gemacht. Dennoch hat die Zuversicht der Konsumenten in den letzten Monaten langsam wieder zugenommen, auch weil die Lockdown Maßnahmen in manchen Märkten gelockert wurden. Im Juni wurden weltweit Rufe nach mehr Gleichberechtigung und Rassengleichheit laut, nachdem George Floyd durch US-amerikanische Polizisten getötet wurde. Manche Marken tun sich schwer, auf die neue Realität zu reagieren und sich anzupassen. Nike hingegen macht zwei Plätze gut und wird zur angesagtesten Marke der Welt. Zum ersten Mal seit Beginn des Lyst-Index steht keine Luxus-Modemarke an der Spitze.

Nike hat 106 Prozent mehr Nachfrage nach Loungewear und Sportbekleidung verzeichnet, da Kunden bequeme Kleidung für zuhause, aber auch Outfits für Sport und Aktivitäten im Freien suchten. Eine Reihe mächtiger Markenmomente haben das Label im ganzen Quartal bestärkt – und das zu einer Zeit, in der Luxusmarken nur schwer Eindruck machen konnten, da Veranstaltungen wie die Met Gala und die Herren Fashion Week abgesagt wurden. In einem Instagram Video mit über fünf Millionen Likes hat Nike seinen berühmten Slogan zu „Don‘t Do It“ verdreht und so ein anti-rassistisches Statement daraus gemacht.

Der Erfolg von Nike im Lyst-Index spiegelt auch wider, wie Corona Shopping-Muster und -Verhalten umkrempelt und den Trend hin zu digitalem Handel beschleunigt. Obwohl das Unternehmen auch vom Absatzeinbruch in den Läden betroffen war und weniger Artikel an Großhändler verschiffen konnte, hat sich ihr großes Engagement fürs Digitale voll und ganz bewährt. Nike hatte bereits angekündigt, dass bis 2023 30 Prozent digital verkauft werden soll, hat diesen Meilenstein jetzt aber schon in diesem Jahr erreicht. Also hat sich die Firma für die absehbare Zukunft ein neues Ziel von 50 Prozent online Absatz gesteckt. Der schnelle Umstieg ins Netz zeichnet sich nicht nur bei Sportbekleidung und Athleisure ab: die Berater Bain & Company veröffentlichten im Mai einen Bericht, der prognostiziert, dass der online Absatz bis 2025 auch im Luxusmarkt 30 Prozent ausmachen wird.

Mächtige Marken mit einer klaren Ästhetik und Philosophie kommen immer noch gut an und jene mit einer starken Präsenz in den sozialen Medien und online Gemeinschaften haben das Quartal gut überstanden. Jacquemus steigt weiter auf, macht vier Ränge gut und schafft es zur elft angesagtesten Marke der Welt, nachdem sie 61 Prozent mehr Suchen auf Lyst sowie im Quartalsvergleich 20 Prozent mehr Follower auf Instagram verzeichnete. Im April hat die Marke mit einer Kampagne Eindruck gemacht, in der Model Bella Hadid über die FaceTime Videoanruf-App abgelichtet wurde und im Mai haben Instagram Posts mit der Großmutter von Designer Simon Porte Jacquemus das Netz gesprengt.

Off-White bleibt an zweiter Stelle, obwohl die Marke nach drei aufeinanderfolgenden Quartalen von der Spitze verdrängt wurde, während Balmain es nach einem Aufstieg um sechs Ränge wieder in den Lyst-Index der angesagtesten Marken geschafft hat. Diese beiden Marken sowie Neueinsteiger Fear of God haben in den sozialen Medien mehr Eindruck machen können und das zu einer Zeit, in der einige etablierte Luxusnamen genau dabei stagnierten oder sogar Abstriche machten. Das kalifornische Label Fear of God erschien erstmals in der Liste der 20 angesagtesten Marken, nachdem es seit dem vorigen Ranking neun Ränge aufgestiegen war.

Und was jetzt? In der Branche gibt es verschiedene Vorschläge, wie man den Modekalender, aber auch die Produktion und den Einzelhandel, neu auslegen könnte. Weitreichende Zustimmung steht hierbei jedoch noch aus. Gucci und Saint Laurent haben sich verpflichtet, zu ändern, wie und wann sie ihre Kollektionen vorstellen, andere etablierte Marken wiederum möchten näher am bestehenden Modell bleiben. Was sich 2020 zugetragen hat, ist noch lange nicht vergessen und die langfristigen Auswirkungen sind noch unklar. In all dieser Ungewissheit gibt es aber auch positive Signale, dass starke Marken bei den Konsumenten weiterhin gut ankommen, und es neue Chancen geben wird, eine inklusivere und nachhaltigere Modeindustrie zu schaffen.